Kund:innen gewinnen spielend leicht gemacht?

Gamification genauer beleuchten: das haben wir im letzten Webinar getan und über die Geschichte, Beispiele und Umsetzung sowie Kritik und Ethik gesprochen. In diesem Beitrag geht’s hauptsächlich um interaktives E-Mail-Marketing und nebensächlich um Shooter-Games und Whiskey – neugierig?

Gamification ist, wenn spieltypische Elemente in Zusammenhänge ausserhalb von Spielen übertragen werden. Zu Google-Dinos, Glücksrädern und E-Mail haben wir bereits einen spannenden Artikel verfasst. Heute betrachten wir das Thema vertiefter, zur Auffrischung aber kurz einige Basisinformationen: Gamification sind Spielelemente im Marketing, die viele Designmöglichkeiten bieten, auffallen und vor allem Interaktivität fördern. Deswegen führt Gamification zu höheren Klickraten, besserer Reputation und ganz wichtig; Spass bei den Zielgruppen. Denn die Zielgruppen sind ein Schlüsselwort in Gamification. Oftmals wird nämlich damit die Erschliessung neuer Kundenkreise anvisiert. Die Referentin des Webinars Lorena sieht Gamification als “eine Chance dem Alltagstrott im Marketing” zu entfliehen.

Hühner jagen als Branding

Der Begriff Gamification steht in Verbindung mit dem aktuellen Jahrzehnt und der vorangeschrittenen Digitalisierung – doch ist die Kombination Games und Marketing neu? Nein, denn als im Webinar das Spiel Moorhuhn aus 1999 zur Sprache kam, klingelte es bei allen Webinar-Teilnehmenden. Aber obwohl sie das “Hühner abschiessen”-Spiel kannten, erinnerte sich niemand, welche Marke (oder ob überhaupt eine) das Game publiziert hatte. “Irgendein Getränk?” war die genaueste Schätzung, auf die Frage nach dem Entwickler, bei dem es sich um Johnnie Walker Whiskey handelt.

Moorhuhn ist ein klassisches Beispiel von sogenannten “Ad Games”, Spielen, die zu Werbezwecken entwickelt werden. Das Ziel von Ad Games ist Branding. Moorhuhn war seinerzeit ein ausserordentlicher Erfolg und ist bis heute ein Begriff. Wie allerdings die Auswirkung auf die Kaufabsicht war, lässt sich schwer feststellen. Aber dass sich keine Webinar-Teilnehmenden überhaupt an die Marke hinter Moorhuhn erinnern können, erzählt nicht von anhaltendem Erfolg.

Eine andere Art Werbung im Spielumfeld ist das “In-Game Marketing”. Wie der Name vermuten lässt, wird hier Werbung in ein Spiel eingebaut. Das Spiel selbst ist dabei keine Marketing-Massnahme, sondern es befindet sich lediglich Werbung im Spiel. Von statischen Massnahmen ist die Rede, wenn beispielsweise Produktplatzierungen und eigene Handelsstränge eingebaut werden. Bei dynamischen Konstrukten werden Werbeflächen in einem Spiel versteigert. So ist auch der Tiefkühlkosthersteller Frosta 2021 im beliebten Open-World-Game Grand Theft Auto (GTA) 5 gelandet.

Geheimnisvolle Türen: Gamification in E-Mails

Wie sich Gamification konkret in E-Mails einbauen lässt, zeigt Lorena anhand von zwei Beispielen: Einmal eine Weihnachtsgeschichte mit fiktiven Tiercharakteren, deren Verlauf Empfänger:innen mit ihren Entscheidungen beeinflussen können und einmal eine Reaktivierungskampagne. Auf der ersten Folie dazu erklärte Lorena links die technischen Aspekte und die Funktion und rechts das Empfänger:innen-Erlebnis und das Storytelling.

Die folgende Folie visualisierte den Ablauf und zeigte die klassischen Elemente von Gamification: Interaktivität durch den Klick auf eine Türe führt zu Vorteilen in Rabattform, die sich je nach Entscheidung unterscheiden. Lorena berichtet von einschlägigen Ergebnissen: “Das war meine erfolgreichste Reaktivierungskampagne.”

Welche Zutaten brauchen Absender:innen für das Erfolgsrezept E-Mails mit Gamification? Es müssen drei Mails vorbereitet werden und zwar automatisiert, deswegen ist ein Tool mit Automation-Funktion Voraussetzung. Die Empfänger:innen dürfen die E-Mail nur einmal betreten, sonst könnten sie sich ja mehrmals umentscheiden. Dann benötigt die Kampagne einen Trigger, der bei dem Klick auf eine Auswahlmöglichkeit die richtige Folgemail auslöst. Ansonsten ganz klassisch Texte und Bilder, Kund:innen-Daten und Analytics, um den Erfolg zu bewerten.

Ganz so simpel, wie sich das zuerst anhören mag, ist es jedoch nicht. Es gilt, im Hinterkopf zu bewahren, dass Gamification einen hohen Aufwand abverlangt, speziell im Hinblick auf Template Programmierung und Design. Auch das Testing verlangt investierte Zeit, wenn Fallback und die Darstellung auf Endgeräten nicht dem Zufall überlassen werden sollen. Ausserdem verliert Gamification an Reiz, wenn es zu oft gemacht wird. Um also Abnutzung vorzubeugen, lieber wenige, gut konzipierte und umgesetzte Kampagnen als viele mangelhafte.

Kritisch diskutiert

Abnutzung und unterschätzter Aufwand sind zwei kursierende Kritikpunkte an Gamification und mit solchen setzte Lorena sich im Webinar ebenfalls auseinander. Kritiker:innen behaupten zum Beispiel auch, dass Gamification häufig bei unpassenden Produkten verwendet wird und deswegen Ziele verfehlt. Oftmals gewinne man mit Gamification nur kurzfristige Klicks, statt echte Branding-Erfolge vorzuweisen. Und überhaupt würden Spielwelten für plumpe Werbung zweckentfremdet werden und damit Games und ihrer Magie direkt schaden.

Zusätzlich steht die Frage im Raum, ob es überhaupt ethisch vertretbar ist, mit allen möglichen Mitteln den Konsum anregen zu wollen. Auch Lorena fragt sich das und bringt einen weiteren Punkt in die Diskussion ein: Wie sieht es mit der Barrierefreiheit aus? Alle animierten und interaktiven Blöcke brauchen dafür eine Fallback-Lösung. Wie gut ist die Idee, wenn sie nicht barrierefrei ist?

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