Druck und Stress: Wie unsere Angst im E-Mail-Marketing genutzt wird

Ein unschlagbares Angebot, ein Rabatt, der nicht wiederkommt, eine Veranstaltung, die fast ausgebucht ist. Das sind Situationen, in denen wir schnell reagieren müssen – wir kennen sie wahrscheinlich alle aus dem Alltag unseres Postfachs. Welche Mechanismen bei solchen E-Mails am Werk sind und ob diese in Ordnung gehen, verraten wir hier.

Ein modernes Phänomen

Fear of Missing out, kurz FOMO ist ein bekanntes Zeitphänomen. Die Angst, etwas zu verpassen ist fest in der Alltagssprache vieler Menschen verankert. Um uns herum ist alles unglaublich schnelllebig, es passieren unendlich viele Dinge zur selben Zeit. Spätestens seit der Pandemie kommen auch verstärkt Streamings von Veranstaltungen und Online-Meetings hinzu. Auf Social Media sehen wir unzählige vermeintlich perfekte Ausschnitte aus den Leben anderer Leute, mit denen wir uns vergleichen können. Kein Wunder, dass wir oft nicht hinterherkommen.

Die Angst, dass etwas Spaß macht, wir du nicht daran teilnehmen können. Die Angst, dass etwas interessant ist, aber wir es nicht wissen. Die Angst, etwas zu verpassen. FOMO ist ein sehr mächtiges Gefühl und kann uns dazu veranlassen, Dinge zu tun, die wir normalerweise nicht tun würden. Menschen, die unter FOMO leiden, berichten davon, sich häufig gestresst und unter Druck zu fühlen. Ständig den Eindruck zu bekommen, dass andere Menschen ein besseres Leben führen, kann uns sehr unglücklich machen. Das Gefühl, etwas Tolles zu verpassen, hält uns auch oft davon ab, die verbleibende Zeit sinnvoll zu nutzen. Und vielleicht ist es manchmal sogar besser für uns, bestimmte Dinge zu verpassen. Wenn wir immer versuchen, alles mitzunehmen und an allem teilzunehmen, können wir schnell erschöpft sein und unsere eigenen Bedürfnisse vernachlässigen.

E-Mails, die Druck erzeugen

FOMO wird auch sehr häufig im E-Mail-Marketing genutzt. Wenn eine E-Mail sich ankündigt mit „Die wichtigsten Tipps für“ oder „Deine Konkurrenz informiert sich auch“ entsteht der klassische Effekt, nichts verpassen zu wollen – dazu zu gehören. Betreffzeilen wie „Nur heute versandkostenfrei bestellen“ oder „Nur noch wenige Plätze frei“ erzeugen sofort Druck. Die Leser:innen sollen sich beeilen, eine bestimmte Aktion durchzuführen, die meistens mit Geldausgeben zu tun hat. In herkömmlichen Kursen über E-Mail-Marketing werden sogar Tipps gegeben, wie dieser Effekt noch verschärft werden kann: „Nur noch 10 freie Plätze“ erhöht beispielsweise noch die Dringlichkeit der Anmeldung.

„So ein Vorgehen bewerte ich als grenzwertig und viel zu häufig eingesetzt“, sagt Christian Fuchs von der Emailcademy. Wir reden wir hier davon, Menschen bewusst unter Druck zu setzen. FOMO kann uns dazu bringen, Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen, oder uns in Situationen zu begeben, die wir eigentlich meiden sollten. Dieser Trick heizt somit auch eine Konsumkultur an, die die Ressourcen unseres Planeten übermäßig ausbeutet. Eine Dynamik, die sich durch Superlative, wie sie im FOMO-Effekt genutzt wird, auch noch exponentiell verstärkt. „Damit das jeweilige Anliegen in der Informationsflut nicht untergeht, braucht es besondere Aufmerksamkeitserzeuger.“ Das sei nur logisch, so Christian. „Aber ich finde es schlimm, wenn E-Mails deswegen extra auf Manipulation ausgelegt sind.“ Die Begründung sei dann oft, dass es halt funktioniere. Ein ethisch fragwürdiges Argument.

Eine Frage der Ethik

Wir erfinden das Rad nicht neu, wenn wir lieber positive als negative Formulierungen empfehlen. Alle fühlen sich mehr angesprochen, wenn ich sage „Morgen treffen wir uns“, statt „Heute treffen wir uns nicht“. Es werden angenehme Emotionen erzeugt, in diesem Fall Vorfreude, und nicht unangenehme Gefühle getriggert. Die Bereitschaft, die Kommunikation weiterzuführen, wächst dadurch. Das ist auch bei Kund:innen oder Spender:innen der Fall, die durch positive Ansprachen stärker abgeholt werden.

Dass die Angst bei Newsletter-Leser:innen entsteht, können wir nicht völlig unterbinden. Aber wir müssen sie nicht zusätzliche heraufbeschwören. In diesem Sinne können wir versuchen auch FOMO in eine positive Energie umzuwandeln. Dafür ist es zunächst wichtig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der Benefit des Newsletters sollte herausgestellt werden, welchen Nutzen die Abonnent:innen davon haben, einem bestimmten Call To Action zu folgen. Sie können etwas Interessantes entdecken oder durch ihre Spende zu einem besonderen Projekt beitragen. Und vielleicht können wir die Fear of Missing out dann auch gänzlich in eine Joy of Joining wandeln, also die Freude, teilzunehmen.

In